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Hubert Pomplun

Danke, EU !



Seit 2012 setzen wir uns bei den deutschen Behörden dafür ein, dass in "unserem" Vogelschutzgebiet "Mittlere Havelniederung" die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen zum Vogelschutz beachtet werden - bisher ohne jeden Erfolg. 2014 haben wir deshalb eine Beschwerde an die EU-Kommission gerichtet, weil Vogelschutzgebiete (wie auch FFH-Gebiete) auf EU-Recht beruhen. Auch da war bis Anfang 2018 nichts passiert - trotz wiederholter Nachfragen.

26.5.2012 Luftbild: Das mit Folien (weiß und grau) "geschützte" Vogelschutzgebiet

Um was geht es? Der Pächter des "Domstiftgut Brandenburg" baut auf bis zu 500 ha Spargel an. Die Flächen liegen größtenteils im Vogelschutzgebiet "Mittlere Havelniederung" und sind - teilweise schon ab Ende Oktober - bis nach der Ernte im Mai/Juni mit Folien bedeckt. Nach einem von der Staatlichen Vogelschutzwarte in Auftrag gegebenen Gutachten (2013) kam es "... bei dieser großflächigen industriellen Unter-Folie-Produktion (letzte 10 Jahre) nachweislich zu einem Zusammenbruch fast der gesamten Brutvogelwelt. Mindestens 21 Brutvogelarten sind im Zeitraum dieser industriellen Landwirtschaft ... im Untersuchungsgebiet ausgestorben."

Die GRÜNEN haben ab 2012 mehrmals Kleine Anfragen im Brandenburger Landtag gestellt, was die Landesregierung dagegen zu tun gedenke. Diese Anfragen sind immer abgeschmettert worden; im wesentlichen mit der "Begründung", dass die Schädlichkeit der Folien nicht nachgewiesen sei. Die Regierung stellt sich damit bewusst gegen geltendes Recht. Schon wenn eine Maßnahme - wie die Ausbringung von mehreren 100 ha Folien über viele Monate - das Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen "kann", ist sie "unzulässig"; es sei denn, dass der Betreiber durch eine Verträglichkeitsprüfung nachweist, dass sie mit Sicherheit unschädlich ist (so eindeutig geregelt in § 34 Bundesnaturschutzgesetz; dieser beruhend auf EU-Vogelschutz- und FFH-Richtlinie).

26.3.2016: Dieses Spargelfeld im Vogelschutzgebiet ist gleich d o p p e l t durch Folien "geschützt"

Man muss nicht Biologie studieren, um einzusehen, dass 100'e ha Folien monatelang im Vogelschutzgebiet erheblich schaden "können", weil es dann keine Insekten mehr gibt und weder Nahrung noch Brutmöglichkeiten für die Vögel. Wer gerade dort trotzdem Folien ausbringen will, müsste nach dem Gesetz mit einer Verträglichkeitsprüfung nachweisen, dass keine Schäden entstehen können.

Wir haben im Januar 2017, vertreten durch einen Anwalt, den ausführlich begründeten Antrag gestellt, dass die Behörde in Sachen "Folien" endlich die gesetzliche Regelung anwenden möge. Nach den üblichen Zeit-Spielchen hat sie uns im August 2017 mitgeteilt, dass sie den Antrag ablehnen werde, weil auf den Feldern gar keine Folien seien. Zu der Zeit natürlich nicht, denn auch die von der Agrarindustrie verwendeten Spargelsorten dürfen nach der Ernte im Mai/Juni einige Monate frei wachsen und grün treiben, bis sie im späten Herbst wieder zugedeckt werden. Aber derartige Unverschämtheiten im Umgang mit Bürgern sind im Umweltrecht üblich.

Im September 2017 wurde der Antrag abgelehnt. Über den von uns eingelegten Widerspruch ist bis heute nicht entschieden.

Im Dezember 2017 hat die Behörde alle Spargelproduzenten im Gebiet schriftlich aufgefordert, künftig vorher anzuzeigen, wenn sie Folien ausbringen wollen und entsprechende Verträglichkeitsprüfungen vorzulegen - also nach Gesetz zu verfahren! Unsere Freude dauerte nicht lange. Spätestens im März 2018 waren wieder überall Folien ausgebracht und der (neue!) Behördenleiter hat unserem Anwalt auf Frage mitgeteilt, dass er nicht beabsichtige, gegen die Spargelproduzenten vorzugehen bzw. die Anordnungen vom Dezember 2017 durchzusetzen.

Wenn unser Widerspruch endlich abgelehnt wird, müssen wir vor dem Verwaltungsgericht klagen - viel neue Arbeit und erhebliches Kostenrisiko - verantwortungsvoller Umgang mit Stiftungskapital und Spendengeldern! Aber man kann diese Politiker- und Behördenpraxis doch nicht hinnehmen - wo bleibt der Rechtsstaat - wehret den Anfängen!

Jetzt die große Überraschung aus Brüssel! Mit dem Schreiben vom 10.7.2018 (Briefkopf s.o.) teilt uns die Kommission mit, dass sie unsere Beschwerde aufgegriffen und die Bundesrepublik aufgefordert hat, bis zum 1. Oktober 2018 zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  • Wird Artikel 6 der FFH-Richtlinie "flächendeckend angewendet"? (Dort geht es um die Verträglichkeitsprüfungen.)

  • Wie wird deren Einhaltung "durch die Landwirte vor Ort sichergestellt"?

  • Warum konnte es zum "Verlust weiter Teile von Grünlandflächen" in Naturschutzgebieten kommen?

  • Was gedenkt die Bundesrepublik "dagegen zu unternehmen"?

  • Welcher Zusammenhang besteht (Anm.: in Deutschland) "zwischen der Einhaltung der Entwicklungspläne und dem Erhalt von Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik"?

Alles, was wir hier geschrieben haben, können wir selbverständlich belegen. Wenn Sie Fragen haben oder sonst etwas dazu sagen wollen, schreiben Sie es bitte in den Kommentarkasten am Ende der Seite.

Link:

§ 34 Bundesnaturschutzgesetz

Presse online


11.4.2015: Protest in Mötzow

Stand 29.12.2018: Auf die Anfragen aus Brüssel hat die Bundesregierung mit Schreiben vom 12.10.2018 reagiert, das uns jetzt vorliegt (78 Seiten). Die Textbausteine dafür dürften vom Brandenburger Ministerium für Landwirtschaft und (!) Umwelt stammen. Der Verwendung von Folien in "unserem" Vogelschutzgebiet ist ein ganzes Kapitel gewidmet (Seite 17 ff). Die Ausführungen sind wortreich, beantworten aber nicht die von Brüssel gestellten Fragen, wie die Sache hier tatsächlich gehandhabt wird, sondern führen nur aus, wie sie nach Gesetz behandelt werden müsste. Der Gipfel ist folgender Satz:

"Dies bedeutet, dass unter den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BNatSchG eine Verträglichkeitsprüfung selbstverständlich auch in bezug auf land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Tätigkeiten stattfinden muss."

Was für eine unglaubliche Frechheit! Sie wissen ganz genau, was sie nach dem Gesetz tun müssten, schreiben das auch nach Brüssel - "selbstverständlich" - und tun vor Ort gerade das Gegenteil. Nebenbei - so macht das Vorbild unserer hochverehrten Bundeskanzlerin Schule: Sich im Ausland als "Klimakanzlerin" ausgeben und im Inland gerade das Gegenteil tun. Wir hoffen, dass sich die EU-Kommission so nicht hinters Licht führen lässt und die Sache weiter verfolgt. Andernfalls müssen wir entscheiden, ob wir die Mühen, Kosten und Risiken der Klage vor den deutschen Verwaltungsgerichten auf uns nehmen wollen. Die Chancen wären gut, aber bekanntlich ist man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand. Natur- und Umweltschutz ist das eine; Rechtsstaat und Demokratie das andere. "Die da oben machen ja doch, was sie wollen" - oder? Stand 12/2020: Bis jetzt wissen wir nicht, wie die Sache in Brüssel weiter gehandhabt wird. Vom neuen Landwirtschafts- und Umweltminister in Brandenburg ("Kenia"-Koalition seit 2019) erhoffen wir allerdings eine Änderung dieser gesetzwidrigen Praktiken gerade im Umweltbereich.

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