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Hubert Pomplun

2016 - der blaue Planet


Der belebte Teil unseres Planeten ist eine dünne Schicht an seiner Oberfläche, darunter zuerst hartes Gestein und dann brodelnde Magma, darüber die mit zunehmender Höhe schnell dünner und kälter werdende Atmosphäre und dann der Weltraum. Pierre IBISCH*) addiert zur mittleren Tiefe der Weltmeere (3,8 km) die Höhe der "mächtigsten Wälder" und kommt so zu einer Dicke der belebten Oberfläche von 0,0035 % des Erddurchmessers (ca. 12.700 km). Zum Vergleich: Wenn die Erde eine Kugel mit einem Durchmesser von 10 m wäre, dann hätte deren belebte Oberfläche - unser ganzer Lebensraum - eine Dicke von 0,35 mm! Und so etwas nennt man in anderen Gebieten der Biologie einen "Biofilm".

Ist es nicht endlich an der Zeit, mit diesem sensiblen, hauchzarten "Biofilm" schonender und ehrfurchtsvoller umzugehen? Der Weltklimavertrag wäre - wieder einmal - ein Gelegenheit dazu. G7-Konferenz in Elmau/Bayern Juni 2015 Es wird im allgemeinen der Bundeskanzlerin zugeschrieben, dass diese Konferenz die "Dekarbonisierung" der Weltwirtschaft bis 2100 als gemeinsames Ziel formuliert hat und als Etappenziel eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 40-70 % gegenüber 2010. Die Benennung eines "Ziels" ist eine relativ unverbindliche Ankündigung, aber immerhin waren jetzt auch die USA beteiligt - nicht dagegen China und der ebenfalls große Emittent Indien. Klimaschutz-Übereinkommen Paris 2015 Dieses Übereinkommen ist inzwischen als völkerrechtlicher Vertrag in Kraft getreten. Bis Anfang Oktober 2016 hatten 72 Vertragsparteien die Ratifikationsurkunden bei der UN hinterlegt (>55 Parteien mit >55 % der weltweiten Treibhausgas-Emissionen), darunter auch die USA und China. Vertragsziel ist, dass "der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 Grad C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad C über dem vorindustriellen Niveau zu begenzen" (Art. 2 Abs. (1) a). Alle Vertragsparteien haben sich verpflichtet, die dazu notwendigen Schritte festzulegen, laufend anzupassen und darüber zu berichten (Art. 3 und 4 Abs. 2). Der Vertrag enthält keine Sanktionen für den Fall der Nichteinhaltung. Zum vollständigen Text geht es hier. "Hausentwurf" des Bundesumweltministeriums April 2016 Nicht eingehaltene Pläne und Absichtserklärungen mit wohlklin-gend umschriebenen Zielen haben wir leider viele (Biodiversität, Artensterben, Gewässerschutz, Nachhaltigkeit). Wenn die am Anfang in großer Ferne gesetzten Zieljahre näherrücken - ohne dass viel getan worden ist - werden sie eben um nochmal 10 Jahre oder mehr in die Zukunft verschoben. Das Bundesumweltministerium wollte es beim Klimaschutz dieses Mal besser machen und hat im April 2016 einen "Hausentwurf" vorgelegt, in dem konkrete Zwischenziele für alle Bereiche in jeweils mehrjährigen Etappen bis 2050 benannt waren. Der Plan sei ausreichend konkret gewesen - sagen Kenner - nach Abstimmung mit den anderen Ministerien sei davon aber nicht viel übrig geblieben. Bei den Recherchen zu diesem Beitrag mussten wir leider feststellen, dass auf den Internetseiten des Umweltministeriums zwar alle möglichen Texte angeboten werden; der "Hausentwurf" aber nicht. Auch eine Anfrage im Umweltministerium blieb bis heute ohne Antwort. "Klimaschutzplan 2050" BRD November 2016 Seit November 2016 steht der mit den anderen Ministerien abgestimmte Plan im Internet (hier). Auf den ersten 25 Seiten stehen Albernheiten in blumiger Sprache wie z.B.:

  • ​"Er beschreibt für alle Handlungsfelder robuste transformative Pfade, beleuchtet kritische Pfadabhängigkeiten und stellt Interdependenzen dar" (Seite 9) oder

  • "Neben dem Gebäudesektor liegt die vielleicht größte Herausforderung im Verkehrssektor" (Seite 12).

Eine Tabelle auf Seite 26/27 nennt "Sektorziele" für verschiedene Bereiche (erwünschte Minderungen der Treibhausgasemissionen in % bis 2030 gegenüber 1990):

  • Energiewirtschaft 62-61 %

  • Gebäude 67-66 %

  • Verkehr 42-40 %

  • Industrie 51-49 %

  • Landwirtschaft 34-31 %

  • Sonstige 87 %

Gesamt 56-55 % Und weil auch diese Art Weihnachtswunschzettel noch zu konkret sein könnte, heißt es dort:

  • Die Sektorziele werden ... "einer umfassenden Folgenabschätzung ... unterzogen, dessen Ergebnis mit den Sozialpartnern diskutiert wird und 2018 eine Anpassung der Sektoren ermöglicht". (Seite 26)

Und so geht es weiter zu den einzelnen "Sektoren", bis auf Seite 90 endlich das Ende dieser Sprachkunst erreicht ist. Bei der Landwirtschaft ist - wie immer - alles in Ordnung. Deshalb heißt es dort:

  • "Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sowie weitere Aufgaben werden von der Landwirtschaft wahrgenommen". (Seite 63)

Keine konkreten Schritte zum Beginn des Ausstiegs aus der Kohleverstromung; kein Verbot der Einrichtung neuer Braunkohle-Tagebaue; kein Beginn zur sozialverträglichen Umstrukturierung in den Braunkohlegebieten; keine ernst zu nehmenden Signale an die Autoindustrie zum Ausstieg aus den Verbrennungsmotoren .... statt dessen nur Klima-bla-bla. Sollte das wirklich alles sein, was von der Euphorie des Jahres 2015 (Elmau, Laudato Si, Paris) in Sachen Klimaschutz in Deutschland übrig bleibt? Tricksereien mit wolkigen "Zielen", "Plänen" und anderen Ankündigungen anstelle von tatsächlichem Handeln? Lesen Sie selbst (Link s.o.), wenn Sie meinen, dass wir das zu krass sehen. Weder entspricht es der Vernunft, die notwendigen Maßnahmen immer wieder von einer Wahlperiode in die andere zu verschieben, noch zeigt es die nötige Demut vor diesem wunderbaren, aber verletzlichen Lebensraum, den uns die Erde schenkt. *) Pierre IBISCH in Le Monde diplomatique (Hg.), Edition LMd Nr. 20 Warmzeit, Berlin (taz Verlag) 2017, "Die blaue Murmel mit dem Mikrofilm", S. 26-29

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