Da haben sie jahrelang Unterschriften gesammelt und gegeben, jetzt schien ein Verbot in greifbarer Nähe - und nun das Gaunerstück von diesem Schmidt! (Anm.: Christian Schmidt, CSU, Bundeslandwirtschaftsminister 2014-2018). Oder waren noch andere beteiligt? Die Verärgerung der Kanzlerin hält sich ja sehr in Grenzen.
Nun tönt es überall: Verbieten! Die Emotionen sind verständlich. Aber ist es wirklich so einfach? Mit kühlem Verstand sollte das weitere Vorgehen anhand von Tatsachen überlegt werden.
Das bloße Verbot von Glyphosat in der Landwirtschaft würde überhaupt nichts nützen. Monsanto, Bayer & Co. haben ohne Zweifel noch mehr Gifte auf Lager; vielleicht sogar noch schlimmere. Dann würden eben die verwendet, noch weniger kontrollierbar - und die jahrelangen Aktionen der engagierten Bürger müssten von Neuem beginnen.
Was Glyphosat ist und wie es wirkt, haben wir in unserem immer noch zutreffenden Beitrag 2015 dargestellt - ggf. bitte hier nachlesen.
Ist es wirklich krebserregend? Mindestens liegen so viele Verdachtsmomente vor, dass nach dem Vorsorgeprinzip nachgewiesen werden müsste, dass die Krebsgefahr ausgeschlossen werden kann - sonst Verbot! Dieses Prinzip steht aber leider nur auf dem Papier - wie so vieles. Der jahrelange Abgasskandal bei den Autos und der einschlägigen Politik ist ein anderes Beispiel dafür. Aber es gibt noch mehr Verbotsgründe.
Unstreitig schadet Glyphosat der Artenvielfalt, indem es alle nicht genmanipulierten oder resistent gewordenen Pflanzen abtötet - wahrscheinlich auch tierische Lebewesen direkt oder indirekt (Nahrungswegfall). Der dramatische Rückgang der Ackerkräuter sowie der Insekten und Vögel gerade "auf dem Acker" wird seit Jahren dokumentiert und nicht mehr ernsthaft bestritten (nur noch, ob der Rückgang "80%" oder vielleicht "nur" 70% ausmacht).
Die biologische Vielfalt ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Aus diesem Grund haben sich die Staaten 1992 in Rio de Janeiro gegenseitig verpflichtet, nationale Strategien zum Erhalt dieser Vielfalt auszuarbeiten und gesetzlich in ihren Ländern zu verankern als für alle Politikbereiche verbindlich (Convention on Biological Diversity, CBD, Rio 1992). Deutschland hat hierfür am 7.11.2007 die "Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt" verabschiedet. Danach sollte der Artenverlust bis 2010 deutlich reduziert werden. Nachdem dieses Ziel nicht erreicht worden ist - auch international - wurde auf einer Weltnaturschutzkonferenz als neues Ziel das Jahr 2020 ausgegeben, bis zu dem der Artenrückgang gestoppt sein sollte. Tatsächlich geht das Artensterben immer noch unvermindert weiter, zur Zeit diskutiert am Beispiel der Wildbienen und anderer Insekten.
Diese Tiere sind für die Bestäubung soundso vieler Kulturpflanzen unverzichtbar. Ihr Schutz würde außerdem unseren Gesetzen und den internationalen Verpflichtungen aus den Artenschutzregelungen - und insofern dem Rechtsstaat - entsprechen.
Als 1962 das Buch "Der stumme Frühling" von Rachel Carson in USA erschien, löste das in Deutschland vor allem ungläubiges Erstaunen aus. So weit - meinte man - würde es hier nie kommen. Und jetzt stehen wir kurz davor. Wo bleibt der Aufschrei?
Bei allen weiteren Protestaktionen und - hoffentlich - beim Handeln der Verantwortlichen darf es nicht um Glyphosat allein, sondern um ein Maßnahmebündel gehen, nämlich:
Verbot von Glyphosat und anderen derartigen Giften
... für die Landwirtschaft mit Übergangsfristen (z.B. drei Jahre wie in Frankreich!)
... für Gärten, Parks, Grünanlagen u.ä. sofort (Round up, Vorox, Touch down usw.)
Für die konventionelle Landwirtschaft wäre der Abschied von Glyphosat & Co. nach Jahrzehnten der Anwendung eine große Umstellung. Sie wäre finanziell zu unterstützen durch jährlich steigende Abgaben auf die alten Gifte einerseits und Verteilung dieser Gelder an die giftfrei arbeitenden Betriebe andererseits. Bei einem jährlichen Landwirtschaftsetat der EU von rd. 58 Mrd. € ist das kein Problem.
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