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Energiewende 2015


Das Bild zeigt die Abweichung der Temperaturen an der Erdoberfläche am 1.1.2016 gegenüber dem Durchschnitt aus den Jahren 1979-2000. Das soll hier nicht als Beleg für den Klimawandel stehen - denn dieser wird über viel längere Perioden beobachtet - aber wir fanden es als eindrucksvolles Beispiel für die fantastischen Möglichkeiten, die Wissenschaft und Internet bieten. Das Problem ist, dass die Erkenntnisse auf dem Gebiet des Umweltschutzes nicht oder nicht ausreichend angewendet werden - ganz anders als Neuerungen in der Technik. Gilt das auch für den Klimavertrag, den 195 Staaten (das sind fast "alle") + Europäische Union am 12.12.2015 in Paris geschlossen haben? Trotz der vielen nicht eingehaltenen Ankündigungen und des Zögerns der Politik, trotz des immer neuen Ärgers mit Umweltbehörden, die bestehende Regeln nicht anwenden: Wir glauben, dass 2015 später als das Jahr der Energiewende gelten wird. Was bedeutet "Klimawandel" (ein bisschen genauer als in den Medien üblich) und was steht in dem Vertrag?


  • Klimawandel Klima ist die Summe von Temperaturen, Niederschlägen und Wind, die in einem bestimmten Gebiet über lange Zeit typischerweise herrschen. Da Niederschläge und Wind durch Temperaturunterschiede entstehen, sind langfristige Änderungen der Temperaturen der wichtigste Indikator zur Beurteilung der Frage, ob sich das Klima in einem Gebiet geändert hat. Die aktuellen Diskussionen betreffen den Klimawandel weltweit.

  • Das "Zwei-Grad-Ziel" Es geht um die Abweichung der globalen mittleren Erdoberflächentemperatur vom vorindustriellen Niveau. Als diese Basis wird im allgemeinen die Zeit um 1850 genommen. Seitdem hat sich der Wert schon um 0,8 bis 1 Grad Celsius erhöht. Das erscheint als nicht viel; jedoch lag die mittlere Temperatur in den letzten "Eiszeiten" auch nur um wenige Grad tiefer. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es um die globale Durchschnittstemperatur geht. Deren Ausschläge - verbunden mit den daraus folgenden Veränderungen der Niederschläge, dem Meeresanstieg u.ä. - können in einzelnen Gebieten sehr mäßig und in anderen sehr stark sein, so dass Teile der Erde unfruchtbar oder gar unbewohnbar werden. Die "Zwei Grad" (insgesamt, gegenüber 1850!) sind willkürlich gesetzt als einprägsame Zahl, die politisch vielleicht gerade noch vermittelbar und technisch gerade noch beherrschbar sein könnte. Jedes 1/10 Grad Steigerung weniger wäre besser.

  • Treibhausgase Die Temperatur der Erdoberfläche ensteht zum kleinen Teil durch Wärme aus dem Erdinnern und zum großen Teil durch die Sonnenstrahlung. Ohne Lufthülle und ohne die darin enthaltenen "Treibhausgase" hätte die Erdoberfläche eine durchschnittliche Temperatur von - 18 Grad Celsius, weil ein großer Teil der Sonnenstrahlung durch Reflektion wieder verloren gehen würde. Insbesondere die in der Atmosphäre enthaltenen "Treibhausgase" (Kohlendioxid CO2, Methan CH4, Lachgas N2O, Wasserdampf H2O und andere) halten einen großen Teil der von der Erde als Wärme zurückgestrahlten Energie (Infrarot) zurück, wodurch sich die tatsächliche mittlere Temperatur der Erdoberfläche von etwa + 15 Grad Celsius einstellt. Die Treibhausgase wie auch die Hauptbestandteile der Luft (Stickstoff und Sauerstoff) stehen in einem natürlichen Kreislauf mit den biologischen Vorgängen auf der Erde. Durch die vom Menschen betriebene Verbrennung von Holz, Kohle, Erdöl und Gas werden große Mengen an Kohlenstoff C zusätzlich freigesetzt, die sich mit Sauerstoff O zum gasförmigen CO2 verbinden und als zusätzliches Treibhausgas in die Atmosphäre aufsteigen. Mit ähnlicher Wirkung entsteht in der industriellen Landwirtschaft das Methan CH4. Die Wirkungen der Treibhausgase sind verschieden stark und ebenso ihre Zerfallsdauern durch natürliche Abbauprozesse in der Atmosphäre. Weil CO2 den größten Anteil ausmacht, wird meist nur vom "CO2" gesprochen und der Anteil der anderen Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet.

  • Dekarbonisierung Karbon ist das lateinische Wort für Kohle bzw. Kohlenstoff. Dekarbonisierung wird deshalb als Schlagwort für die Umstellung der Industrie, des Verkehrs, der Heizung usw. benutzt, bei der Energie nicht mehr aus der Verbrennung von C zu CO2 gewonnen, sondern die C-freie ("erneuerbare") Energie von Sonne, Wind und Wasserkraft genutzt wird. Ein Schritt in diese Richtung ist bereits die Verwendung von Erdgas (= Methan, CH4) anstelle von Kohle, weil der relativ hohe Brennwert von Erdgas aus nur einem Teil C bei 4 Teilen Wasserstoff (H4) entsteht.

  • Kohlenstoff-Budget Alle Klimamodelle ergeben einen fast linearen Zusammenhang zwischen der in einer bestimmten Zeit emittierten Menge an Treibhausgasen einerseits und der Temperaturerhöhung andererseits. Wenn die Menschheit nur noch so viel CO2 emittieren will/soll, dass sich daraus "nur noch" eine weitere Temperaturerhöhung um ca. 1 Grad Celsius ergibt (da wir das andere Grad gegenüber 1850 schon verbraucht haben), so lässt sich errechnen, dass dafür noch etwa 750 Mrd. Tonnen CO2 emittiert werden dürfen. Bei einer Erdbevölkerung von ca. 7,5 Mrd. und gleichmäßiger Verteilung auf alle Bewohner des Planeten sind das pro Kopf noch rd. 100 Tonnen - in der gesamten Zeit bis zum Erreichen der Nullemission z.B. um das Jahr 2050, d.h. also ca. 2,8 Tonnen CO2 pro Kopf und Durchschnitt aller Jahre bis 2050. Zum Vergleich: die Pro-Kopf-Emissionen betrugen 2013 in Katar 40 Tonnen, in den USA 16,5 und in Deutschland 9,4. Die "gerechte" Verteilung der noch erlaubten Emissionen auf die Länder nach "Nord" und "Süd", "Industrie" und "Entwicklung" usw. war (und ist) umstritten. Damit kommen wir zu dem am 12.12.2015 in Paris geschlossenen Vertrag.

  • UN-Klimavertrag Paris 12.12.2015 Sie finden unten einen Link zum amtlichen Text - leider nur in Englisch, weil Deutsch nicht zu den Amtssprachen der UNO gehört. Wie in der angelsächsischen Juristerei üblich, werden am Anfang noch einmal die Beweggründe und Gegebenheiten geschildert (20 Seiten; Auslegungshilfe), während der eigentliche Vertrag auf den Seiten 21-32 steht. Damit ist noch nicht die Verpflichtung verbunden, dass die Staaten nun die und die Klimaschutzmaßnahmen durchführen, sondern nur das gegenseitige Versprechen, nach Möglichkeit diesen Vertragstext von den jeweiligen Parlamenten ratifizieren zu lassen und ihn dann im Rahmen einer "high-level ceremony" in der Zeit zwischen dem 22.4.2016 und dem 21.4.2017 in New York zu unterzeichnen. 30 Tage, nachdem der Vertrag von mindestens 55 % der Staaten, von denen mindestens 55 % der Emissionen ausgehen, unterzeichnet ist, soll er in Kraft treten - dann mit voller völkerrechtlicher Bindungswirkung. Frühestens drei Jahre danach könnte ein Staat auch wieder seinen Austritt erklären. Materiell sieht der Vertrag vor: - Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur nicht mehr als 2 Grad C gegenüber dem Beginn der Industrialisierung, wenn möglich sogar nicht mehr als 1,5 Grad C; - Erreichung dieses Ziels als gemeinsame Verantwortung aller Staaten, jedoch zu unterschiedlichen Anteilen, mit Unterstützung für die Entwicklungsländer und besonderer Berücksichtigung der kleinen Inselstaaten; - die Emission von Treibhausgasen soll so schnell wie möglich ihren globalen Höhepunkt überschreiten und danach so abnehmen, dass spätestens ab 2050 die Emissionen einerseits und andererseits ihr Ausgleich durch "Senken" (wie z.B. vorhandene Wälder + Wiederaufforstungen) einander aufheben; - Transparenz durch gegenseitige Information über alle Maßnahmen und Pläne; regelmäßige Berichte auf den Internetseiten der UNO; technische Zusammenarbeit nach der besten verfügbaren Wissenschaft und Technik.

  • Unsere Meinung dazu Es ist - endlich mal - ein großer Erfolg und ein Lichtblick für alle, die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen. Noch vor kurzer Zeit waren sich die Staaten noch nicht einmal darüber einig, dass der Klimawandel menschengemacht und so bedrohlich ist, dass alle zum Gegensteuern verpflichtet sind. Insbesondere die großen Verursacher wie z.B. China und USA hielten sich zurück. Es wäre schon rechtlich gar nicht möglich gewesen, dass die in Paris anwesenden Staatsoberhäupter selbst einen sofort völkerrechtlich bindenden Vertrag abschließen - also ohne Ratifizierungen durch die Parlamente. Bei aller Skepsis gegenüber Ankündigungen durch Politiker: wir haben den Eindruck, dass sie begriffen haben und es diesmal ernst meinen. Natürlich steckt der "Teufel im Detail", wobei die hier noch zu regelnden "Details" groß sind (wie z.B. unterschiedliche Beiträge von Industrie- bzw. Entwicklungsländern; welche sind überhaupt noch "Entwicklungsländer" (China?); geht es 2016 wirklich los mit den praktischen Maßnahmen oder hat es wieder einmal keine Eile, weil bis 2050 ja noch so viel Zeit ist usw. usw.). Dennoch: die Wende hat begonnen (z.B. Kursverfall der großen Stromerzeuger; Verkaufspläne Vattenfall; Verfall der Preise an der Strombörse dank der Erneuerbaren; die Enzyklika des Papstes "Laudato si"; jetzt das weltweite Signal Paris; schon gefolgt von der amtlichen Nachricht aus China, dass dort in den nächsten drei Jahren keine neuen Kohleminen geplant und die Investitionen in Wind- und Solarenergie um weitere 20 % gesteigert werden) und wird sich weiter beschleunigen. Zum Schluss noch was zur Aufheiterung, Argumentationshilfe bei Diskussionen mit Unbelehrbaren: Unsere Vorfahren in der Steinzeit waren so klug, sich von den Werkzeugen aus Stein zu verabschieden, als die technisch überlegene Bronze aufkam - obwohl auch heute noch genug Steine vorhanden wären.


Links Klimavertrag Paris 2015 Temperaturabweichung Karten Literatur SCHELLNHUBER H.J.; Selbstverbrennung; München 2015; 778 Seiten; 29,99 € - ganz heiße Empfehlung: kompetent, verständlich und auch noch spannend geschrieben

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