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  • Hubert Pomplun

Der Zug der Kraniche


Während der Brutzeit leben sie sehr heimlich und können meist nur von Ortskundigen beobachtet werden. Aber beim Zug im Frühjahr und Herbst können wir sie in großen Scharen am Himmel sehen.

In der Karte sind die alljährlich benutzten Routen stark vereinfacht dargestellt.

Die beiden blauen Linien bezeichnen die sogenannte "westeuropäische" Route, auf der im Herbst 2014 mehr als 300.000 Kraniche gezählt worden sind. Die Vögel auf der Linie "1" kommen hauptsächlich aus Norwegen und Schweden, die auf der Linie "2" aus Finnland, den baltischen Ländern und dem nördlichen Polen. Zusammen mit den Kranichen aus Deutschland fliegen sie nach wochenlangen Aufenthalten an den Rastplätzen zur Überwinterung nach Frankreich und Spanien.

Die grüne Linie steht für die "baltisch-ungarische" Route. Am großen Rastplatz Hortobagy ("H") in Ungarn werden an den Spitzentagen im Oktober ebenfalls jeweils mehr als 100.000 Kraniche gezählt. Sie kommen hauptsächlich aus Finnland, den baltischen Staaten, Polen, Russland und Weißrussland und überwintern in Südeuropa, der Türkei und Nordafrika. Die Annahme von "Zugscheiden" - etwa: westliches Polen westeuropäische Route / östliches Polen: baltisch-ungarische Route - konnte bisher nicht durch Beobachtungen bestätigt werden.

Die Reisegeschwindigkeit der ziehenden Kraniche liegt bei etwa 50 km/h , bei günstigen Verhältnissen bis über 100 km/h. Die Flughöhen liegen meistens zwischen 200 und 2.000 m; die größte Höhe wurde über dem Himalaja mit 4.600 m beobachtet. Bei Thermik lösen sich die großen Schwärme in kleinere Gruppen auf, die kreisend an Höhe gewinnen, um sich dann wieder zu Keilen und Ketten zu formieren, die mit nur wenigen Flügelschlägen weitersegeln.


Auf dem Zug legen sie gewöhnlich 100 bis mehrere 100 km pro Tag zurück. Den "Rekord" - soweit beobachtet - hält bisher eine Gruppe von 5...6.000 Kranichen, die in 24 Stunden von der deutschen Ostseeküste bis an die Pyrenäen geflogen sind (1.200 km). Die Tagesstrecken hängen stark von Wind und Wetter ab - und vom Vorhandensein störungsfreier Rastplätze.

Der Zug im Frühjahr (in Deutschland ab Mitte Februar) ist nicht so spektakulär wie im Herbst. Im Frühjahr ziehen sie meistens in kleineren Gruppen und schneller durchs Land. Wer zuerst im Brutgebiet eintrifft, hat Aussicht auf die besten Plätze - und auch die Liebe treibt sie voran.

Bei späten Wintereinbrüchen kann es zum "Zugstau" oder gar kürzeren Rückwärtsbewegungen kommen.

Die jungen Kraniche lernen den Zugweg von ihren Eltern, da sie im ersten Herbst und im folgenden Frühjahr noch von diesen geführt werden (ganz anders bei den Störchen).

Wie die Zugvögel ihre Wege und Ziele über tausende km finden, ist nur teilweise geklärt. Verschiedene Forscher haben bei verschiedenen Arten verschiedene Orientierungsmethoden gefunden: nach Landmarken (Flüssen, Gebirgen usw.), nach der Himmelsrichtung als Kombination von Sonnenstand/Sternenhimmel mit den Tageszeiten, nach dem Magnetfeld der Erde u.a.. Es scheint, dass die verschiedenen Vogelarten jeweils unterschiedliche Methoden kombinieren. Kraniche scheinen hauptsächlich die Landmarken - also die Landkarte aus der Vogelperspektive - zu nutzen. Zwar ziehen sie auch bei Nacht, aber kommen in Schwierigkeiten bei schlechter Sicht, Nebel, Schneetreiben u.ä. (alljährliche Notlandungen auf regennasser Autobahn!).

Kraniche können in Freiheit 15 bis 20 Jahre alt werden. Die Jungen haben also Gelegenheit, nicht nur im ersten Herbst in Begleitung ihrer Eltern, sondern auch noch in späteren Jahren von den älteren Vögeln im Schwarm die Zugwege zu erlernen. Aber kann das alles sein? Sie hatten keinen Erdkundeunterricht, bei dem eine Europakarte an der Wand hing, und finden trotzdem (nur) zweimal im Jahr den bis zu 4.000 km langen Weg zwischen dem Norden Russlands und dem Süden Spaniens. Die meisten Menschen des 21. Jahrhunderts würden das ohne ihr "Navi" gar nicht erst versuchen.

März 2012: Er ist der Größte

Ende März 2013: Später Wintereinbruch

Ende Oktober: Oft sind sie eher zu hören als zu sehen

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