Entstehung, Geschichte, Torfindustrie
Der Kranichrastplatz im Oberen Rhinluch ist der größte auf der ganzen westeuropäischen Route. Als Kranichfreunde verdanken wir dieser stillen Landschaft so viel, dass wir einmal darüber berichten wollten, dass es hier "auch sonst" noch Erstaunliches gibt.
Lage
Das Obere Rhinluch liegt ca. 50 km nordwestlich von Berlin zwischen Kremmen und Fehrbellin auf einer Fläche von rd. 140 km². Im Süden verläuft die Autobahn Berlin-Hamburg; im Norden liegt der Ruppiner See.
Name
Mit "Luch" werden in NO-Deutschland ganz allgemein Feuchtgebiete bezeichnet. Unser Gebiet ist ein Niedermoor; heute in großen Teilen durch Gräben entwässert und landwirtschaftlich genutzt; von Straßen immer noch wenig durchschnitten.
Entstehung
Vor etwa 11.000 Jahren war bei uns die letzte Eiszeit "vorbei"; die letzten Gletscher abgeschmolzen und die Schmelzwasser abgelaufen. In den Rinnen ("Urstromtäler") waren Seen und Flüsse zurückgeblieben, die in der nachfolgenden Warmzeit teilweise verlandeten. Dabei entstand im Rhinluch der erste Torf.
Torf ist eine "Erde", die mindestens 30 % nicht oder nicht ganz verrottete Pflanzenmasse enthält. Die Pflanzen sind nicht verrottet, weil sie durch hohe Wasserstände von der Luft (Sauerstoff) abgeschlossen sind. Im Oberen Rhinluch ist die Torfschicht - soweit noch vorhanden - im Durchschnitt 2 m dick (20 cm bis 10 m).
Moor ist eine noch bewachsene Fläche, die ständig so mit Wasser gesättigt ist, dass abgestorbene Pflanzen (oder allgemein: Biomasse) gar nicht oder nur zum Teil verrotten, so dass sich Torf bildet.
Niedermoore - wie das Rhinluch - erhalten ihr Wasser nicht nur durch den Regen, sondern haben auch Zufluss und - meistens - Abfluss. In unserem Fall ist der Hauptzufluss der Rhin, der von Norden kommt und nach Westen zur Havel abfließt.
Geschichte
Im 12. Jahrhundert kamen die ersten "Wessis" - Siedler vom Niederrhein, die sich am Rand des großen Moores niederließen. Sie gaben unserem Fluss den Namen "Rhin". Das Moor blieb noch viele 100 Jahre ungenutzt. Bei Fehrbellin gab es eine Fähre und von dort einen Knüppeldamm als einzigen "sicheren" Weg nach Kremmen. Bei kriegerischen Auseinandersetzungen war die Unpassierbarkeit des Moores strategisch wichtig. So kam es 1412 zur "Schlacht am Kremmener Damm", bei der eine Mannschaft des Burggrafen von Nürnberg (!) die Pommern zurückdrängte. Drei Jahre später wurde der Burggraf zum Kurfürsten erhoben und mit der Mark Brandenburg belehnt - Beginn der Hohenzollern in der Mark.
1675 - Schlacht bei Fehrbellin - ist das andere große Datum in der brandenburgischen Geschichte, bei dem die Moore des Oberen Rhinluchs wieder eine strategische Rolle gespielt haben. Das kleine Brandenburg, im dreißigjährigen Krieg von fremden Heeren verwüstet, hatte in diesem Krieg mehr als ein Drittel seiner Bevölkerung verloren. Und nun - David gegen Goliath - der unverhoffte Sieg, mit dem die Schweden endgültig aus Brandenburg vertrieben wurden. Der aus dem nahegelegenen Neuruppin stammende Theodor Fontane sieht den Tag von Fehrbellin als die Geburtsstunde Preußens (nicht nur er). In der Einleitung zu seinem Band "Havelland" (Wanderungen durch die Mark) schreibt er:
Grüß Gott dich Tag von Fehrbellin, Grüß Gott dich Tag, du Preußenwiege, Geburtstag und Ahnherr unserer Siege, Und Gruß dir, wo die Wiege stand, Geliebte Heimat, Havelland!
Der Torfabbau im 19. Jahrhundert 1785 wurde entdeckt, dass der Linumer Torf besonders aschearm verbrennt. 1786-88 wurde der Rhin teilweise begradigt und kanalisiert (so schnell ging das damals!) - zum Abtransport des Torfs fürs Heizen und Kochen in Berliner Bürgerhäusern.
100 Jahre lang wurde das Obere Rhinluch vom Torfabbau beherrscht. In Linum gab es eine "Königlich-staatliche Torfadministration" und "Linumtorf" war ein Qualitätsbegriff. In der Staatsbibliothek Berlin gibt es eine mehrseitige handschriftliche Abhandlung des Schriftstellers und Naturwissenschaftlers Adelbert von Chamisso ("Peter Schlemihls wundersame Geschichte") aus dem Jahr 1821 "Ueber das Linumer Torfmoor", in dem dieser schreibt, dass der saubere Abbrand des Linumer Torfs daher kommt, dass dieser hauptsächlich aus Schilf entstanden ist. 50 Jahre später fährt Theodor Fontane von Wustrau "am Nordrande des durch seine Torflager berühmten Rhinluches" nach Fehrbellin.
1840 wurde der Torfabbau privatisiert, indem Alexander Gentz aus Neuruppin durch "Allerhöchsten Erlaß" das Privileg zum Torfabbau und -verkauf erhielt, verbunden mit dem Recht zur "Expropriation" (Enteignung!); 1864 gefolgt von der "Verleihung des Expropriationsrechts und des Rechts zur Erhebung eines Schleusengeldes in Bezug auf den Bau und die Unterhaltung einer öffentlichen Schiffahrtsstraße im Rhinluch vom Ruppiner Kanal resp. dem Linumer Rhin abwärts bis Fehrbellin".
Als gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Heizen mit Kohle aufkam, war der Boom im Rhinluch vorbei. Das Unternehmen Gentz hatte schon 1880 Konkurs angemeldet. Die Anlagen verfielen, die Torfkanäle verschlammten und immer größere Flächen standen wieder unter Wasser. Röhricht und Bruchwald breiteten sich wieder aus - die Natur konnte sich erholen.
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